Rundu – Abstecher ins echte Afrika

Am nächsten Morgen traten wir auf den großen Parkplatz vor unserem Hotel in Windhoek. Wie immer schien die Sonne. Vögel zwitscherten. Wir waren angespannt. Nun war es soweit. Unser Abenteuer begann. Das richtige Abenteuer. Wir sollten hier auf dem Parkplatz warten, sagte Sister Wilhelmine. Sie war unsere Kontaktperson in Namibia und betreute die „Patenkinder“ des Vereins, der es den Kindern ermöglichte die Schule zu besuchen und somit auch das „Patenkind“ von Heidi. Vielleicht hatte sie uns vergessen? Oder wollte sie uns überhaupt abholen?

Ein Auto fuhr vor. Eine Klosterfrau stieg aus und lächelte: „Hi girls!“. Die Begrüßung war sehr herzlich und schon bald waren alle anfänglichen Zweifel verflogen. Wir luden unsere Sachen ins kleine Auto, holten noch irgendwelches anderes Zeugs für die Sister ab, luden auch das ins Auto und fuhren zusammen mit unserem Fahrer Richtung Norden – Richtung Rundu.

Landschaft in Namibia

Die Fahrt dauerte lang (ca. 8 Stunden). Wir kamen an den Townships von Windhoek vorbei, an Farmen und Antilopenherden, an unendlichen Weiden und kargen Sandlandschaften, durch die hier und da ein hoher Zaun ins Nirgendwo führte. Wir kamen an Flüssen vorbei, an kleinen Städten und Holzhütten, überholten Eselskarren (der „Ferrari“ Namibias), riesen Trucks mit Doppelanhänger und Schulkinder auf dem Fahrrad. Die Landschaft wechselte alle paar Kilometer ihr Aussehen. Wüste, Steppe, Hügel, Felsbrocken, Täler, weite Ebenen, Sand, Gras, Dschungel…

Wir stoppten ein paar Mal um zu tanken und uns die Beine zu vertreten. Wir kamen an einen Stand am Straßenrand, an dem Früchte verkauft wurden. „Wilde Orangen“, erklärte uns die Sister. Sie sahen wirklich aus wie Orangen – rund, groß und naja, orange – doch ihr Kern bestand aus mehreren weißen Zehen mit schwarzen, großen Kernen (eher wie eine Mangosteen). Und sie waren köstlich! (Wir haben selten eine so gute Frucht gegessen! Unbedingt probieren!)

Empfangskomitee in Rundu

Schließlich kamen wir in Rundu an, einer 30.000 Einwohner Stadt am Okavango, dem Grenzfluss zu Angola. Hier wartete das „richtige“ Afrika auf uns. In Rundu kommen nur sehr wenige Weiße vorbei, geschweige denn Touristen. Dementsprechend wurden wir schon bei unserer Anfahrt skeptisch beäugt. Wir fuhren durch die Stadt, vorbei an baufälligen Lagerhallen, Marktständen, streunenden Hunden, rostigen Autos, an denen alles abmontiert war, das irgendwie Geld bringen würde, und kleinen Holzhütten mit Strohdächern.

Unsere Unterkunft war lag ein wenig außerhalb der Stadt auf dem Grund des hiesigen Bischofs. Es war sein Ferienhäuschen und wir waren seine Gäste. Eine große Ehre für uns.

Wir fuhren auf das Gelände. Vor dem kleinen Häuschen hatte sich eine bunte Menschentraube versammelt. Zögerlich stiegen wir aus dem Auto und konnten unseren Augen kaum trauen, als die Leute plötzlich anfingen zu singen und zu tanzen und zu applaudieren. Wir waren sprachlos. Die Kinder hüpften aufgeregt um uns herum und führten richtige Choreographien für uns auf. Es war unbeschreiblich. Es war einer dieser Momente, den man sein ganzes Leben lang niemals wieder vergessen wird.

Familie von Heidis Patenkind

Die nächsten Tage verbrachten wir damit mit der Sister und unserem Fahrer Rundu zu erkunden. Sie führten uns an den krokodilreichen Okavango, auf dem Markt kauften wir hiesige, für uns unbekannte Lebensmittel und bereiteten sie später zu. Wir erlebten die schönsten Sonnenuntergänge. Wir ernteten Mangos auf dem Gelände des Bischofs und begegneten dabei einer relativ großen, braunen (giftigen?) Schlange, die unsere „Security“ sofort gekonnt mit einem großen Stein erschlug und wir durchstreiften die staubigen Straßen Rundus. Kosteten alle möglichen Leckereien an den vielen verschiedenen Ständen, spielten mit den Kindern, die uns unentwegt nachliefen und verbrachten viele Stunden mit den Einheimischen. Meistens Frauen, die ihre Männer verloren hatten und nun ihre kleinen Kinder alleine großzogen. In ihren baufälligen Holzhütten gab es keinen Strom und kein fließendes Wasser. Viele waren an Malaria erkrankt.

An einem Tag fuhren wir ins Dorf, in dem die Familie der Sister lebte, an einem anderen in das Dorf, in dem das „Patenkind“ von Heidi wohnte. Die Dörfer lagen mitten im Dschungel, teils nur über buckelige Schotterpiste zu erreichen und bestanden meist nur aus ein paar Lehmhäuschen mit Strohdächern. Es gab keine Geschäfte, keine Telefone, keinen Strom oder fließendes Wasser. Wieder wurden wir überschwänglich begrüßt, es wurden stundenlang Tänze für uns aufgeführt und nur das allerbeste aufgetischt. Es wurde erzählt und gelacht. Wir wurden mit einer Herzlichkeit empfangen, die nur schwer in Worte zu fassen ist.

der Abschied aus Rundu

Wir verbrachten die Tage mit den vielen Kindern, die sich um uns scharten. Wir streiften mit ihnen durch den Dschungel, gingen zum Fluss und fuhren mit dem Baumstammkajak herum. Die Größeren erzählten uns von ihrem Leben. Manche hatten bereits selbst Kinder. Manche gingen zur Schule, andere konnten es nicht. Manche hatten ein Handy, andere hatten noch nie zuvor in ihrem Leben einen „weißen“ Menschen getroffen.

Als unser Abreisetag gekommen war, versammelten sich erneut die Frauen mit ihren Kindern, die wir in Rundu besucht hatten, um unser kleines Ferienhäuschen. Sie sangen und tanzten für uns und überreichten uns Geschenke. Der Abschied fiel sehr, sehr schwer.

Die Tage in Rundu prägten mein Leben. Sie bereicherten es.

Ich hatte noch nie so freundliche und herzensgute Menschen getroffen. Hatte noch nie solche Dankbarkeit erlebt. Hatte noch nie solche Lebensfreude gesehen und Offenheit wildfremden Menschen gegenüber.

Und jetzt sitze ich hier und schreibe diese Zeilen. Ich sitze auf einer Bank an einem Aussichtspunkt. Vor mir ein tiefes Tal und eine schöne Bergkulisse dahinter. Die Gipfel sind schneebedeckt. Und ich denke an die Zeit in Rundu zurück und daran, wie dankbar wir für unser privilegiertes, außergewöhnliches Leben sein können…

Namibia – Fazit

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